BASF-Bericht 2022

Brief des Vorstandsvorsitzenden

Martin Brudermüller, Vorstandsvorsitzender der BASF SE (Foto)

Sehr geehrte Aktionärin, sehr geehrter Aktionär,

dass Frieden und wirtschaftliche Stabilität keine Selbstverständlichkeiten sind, hat uns das zurückliegende Jahr mit aller Härte gezeigt. Seit dem 24. Februar 2022 herrscht Krieg in der Ukraine – mitten in Europa. Für die Menschen in der Ukraine ist er eine Katastrophe, für uns alle ein Zeitenbruch. Wir verurteilen den Angriff Russlands in aller Deutlichkeit.

Die Konsequenzen für die Weltwirtschaft sind erheblich, die weitere Entwicklung ist sehr unsicher. Das vergangene Jahr war geprägt von steigenden Energie­preisen, Inflation und der Sorge vor weitreichenden wirtschaftlichen Verwerfungen.

Erdgas ist einer unserer wichtigsten Energieträger und wichtiger Rohstoff. Die schrittweise Reduzierung der russischen Gaslieferungen und der damit verbundene Anstieg der Energiepreise in Europa haben uns vor immense Herausforderungen gestellt. Dank des großartigen Einsatzes des BASF-Teams konnten wir unseren Gasverbrauch in Europa deutlich reduzieren. Unseren größten Standort in Ludwigshafen könnten wir inzwischen selbst dann noch betreiben, wenn uns nur rund 30 % der Gasmenge zur Verfügung stünde, die wir 2021 im Durchschnitt verbraucht haben.

Unsere wirtschaftliche Leistung 2022

Nicht nur in Europa hat sich das Jahr 2022 fundamental anders entwickelt als zu Jahresbeginn erwartet. Neben der volatilen weltwirtschaftlichen Entwicklung und hohen Inflationsraten belastete auch die strikte Null-Covid-Politik in China die Märkte. Dennoch präsentierte sich das BASF-Geschäft robust. Der Umsatz stieg 2022 um 11 % auf 87,3 Milliarden € (2021: 78,6 Milliarden €). Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigten außergewöhnlichen Einsatz. Wir konnten Preis­erhöhungen in fast allen Segmenten durchsetzen. Das Ergebnis der Betriebs­tätigkeit (EBIT) vor Sondereinflüssen lag mit 6,9 Milliarden € um 890 Millionen € unter dem Wert des Vorjahres (2021: 7,8 Milliarden €), jedoch in der von uns prognostizierten Spanne.

Das BASF-Geschäft präsentierte sich im Jahr 2022 robust.

Russlands Krieg gegen die Ukraine hat die über Jahrzehnte aufgebauten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und dem Westen zerstört. 2022 haben wir daher unser Geschäft in Russland und Belarus eingestellt. Einzige Ausnahme ist das Geschäft zur Unterstützung der Nahrungsmittelproduktion, da mit dem Krieg das Risiko einer weltweiten Nahrungsmittelkrise einhergeht. Auch Wintershall Dea, an der BASF die Mehrheit der Stammaktien hält, wird ihre Aktivitäten in Russland beenden. BASF musste wegen der Entwicklung dort ihre Beteiligung an Wintershall Dea um mehrere Milliarden Euro abschreiben. Dies führt für die BASF-Gruppe zu einem insgesamt negativen Ergebnis nach Steuern.

Die deutliche Abschwächung der Weltwirtschaft prägte auch die Aktienmärkte. Nachdem die BASF-Aktie am 11. Februar 2022 mit 68,69 € ihr Jahreshoch erreichte, fiel ihr Wert im weiteren Verlauf des Jahres. Der Hauptversammlung wollen wir eine Dividende auf dem Niveau des Vorjahres von 3,40 € je Aktie vorschlagen und somit 3,0 Milliarden € an die Aktionäre der BASF SE auszahlen. Auf Basis des Jahresschlusskurses 2022 von 46,39 € bietet die BASF-Aktie mit diesem Dividendenvorschlag eine hohe Dividendenrendite von rund 7,3 %.

Unsere Transformation – Wichtige Schritte in Richtung Klimaneutralität

Trotz der weltwirtschaftlich angespannten Situation haben sich unsere Prioritäten in Sachen Klimaschutz nicht verschoben. Die Energietransformation steht weiter ganz oben auf unserer Agenda. Als Branchenführer gehen wir hier weiter voran. Wir arbeiten intensiv daran, unseren CO2-Fußabdruck deutlich zu reduzieren. Unser Ziel: Netto-Null-Emissionen bis 2050. Diese Transformation erfordert Ausdauer, Ressourcen und vor allem unser geballtes Wissen. Es ist ein riesiger Kraftakt. Doch wir kommen gut voran. Ich bin sehr stolz, dass Teams an allen Standorten sich mit großer Leidenschaft diesem Ziel widmen.

Ganz konkret gilt dies zum Beispiel für die Kollegin, die auf dem Titelbild dieses Berichts zu sehen ist. Sie und viele weitere arbeiten daran, unsere Grünstrom­versorgung in Nordamerika weiter auszubauen. Unter anderem unser Verbundstandort in Freeport/Texas profitiert bereits von neuen Abnahmeverträgen für Solarenergie. Wenn wir künftig Energie zukaufen, dann soll sie aus erneuerbaren Quellen stammen. Eine Strategie, die wir weltweit verfolgen.

Die Energietransformation steht weiter ganz oben auf unserer Agenda.

Zudem investieren wir in eigene Kapazitäten zur Erzeugung von Grünstrom. Am Standort Schwarzheide ging beispielsweise Ende August 2022 unser neuer Solarpark ans Netz, den wir gemeinsam mit einem Partner betreiben. In der Nordsee schreiten die Arbeiten am Offshore-Windpark Hollandse Kust Zuid, einem Gemeinschaftsprojekt mit Vattenfall und Allianz, planmäßig voran. Im vergangenen Juli sind die ersten Mengen an Grünstrom im Werk Ludwigshafen angekommen. 2023 soll dieser Windpark vollständig in Betrieb gehen.

Unsere Produktion – Neue Technologien für den Verbund der Zukunft

Neue Wege gehen wir auch bei der Art und Weise, wie wir produzieren. Etwa in Zhanjiang in Südchina, wo wir einen neuen Verbundstandort errichten. Bei Fertigstellung wird er der drittgrößte Verbundstandort von BASF nach Ludwigshafen und Antwerpen sein. Es ist ein ehrgeiziges Projekt im dynamischsten Wachstumsmarkt der Chemieindustrie. In Zhanjiang werden wir die neuesten und innovativsten Technologien einsetzen und den Standort so zum Vorbild für eine nachhaltige Produktion machen – in China und weltweit.

Neue Wege gehen wir auch bei der Art und Weise, wie wir produzieren.

Und wir transformieren auch unsere bestehenden Standorte. Unser Verbundstandort in Antwerpen strebt unter anderem dank neuer, energieeffizienter Technologien an, als erster petrochemischer Standort im Jahr 2030 nahezu Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Ebenso geht der Standort Ludwigshafen voran. Derzeit testen wir dort viele wegweisende Ansätze in Pilotprojekten. Mit unseren Partnern SABIC und Linde entwickeln wir beispielsweise den Steamcracker der Zukunft. Er soll, statt mit Erdgas, mit Strom aus erneuerbaren Quellen beheizt werden. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Unsere Rohstoffbasis hat sich in der mehr als 150-jährigen BASF-Geschichte immer wieder verändert, von Steinkohlenteer zu Öl, zu Gas und nun zu Erneuerbaren. Daher bin ich mir sicher: Der Wandel wird uns auch dieses Mal gelingen.

Unsere Stärke – Wir sind dort, wo unsere Kunden sind

Die Transformation hin zu Wertschöpfungsketten und Produkten mit niedrigem oder keinem CO2-Fußabdruck wird uns im Wettbewerb erfolgreich machen. 2022 konnten wir unser Portfolio an Produkten mit einem zertifiziert reduzierten CO2-Fußabdruck weiter ausbauen. Auf diese Weise helfen wir unseren Kunden, ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Wir investieren noch stärker in Wachstumsregionen, weil uns ein besser ausgeglichenes Regionalportfolio in einer multipolaren Welt resilienter macht. Wir fokussieren uns auf organisches Wachstum und planen bis 2027 weltweit Sachinvestitionen in Höhe von 28,8 Milliarden €. In großen Wachstumsmärkten, wie etwa China, nicht präsent zu sein, wäre ein großes Risiko für BASF. Natürlich betrachten wir unsere Investitionen aber aus verschiedenen Perspektiven. Deshalb verfolgen wir auch die Entwicklungen in China sehr genau und setzen unseren offenen Dialog fort.

Wir erweitern unsere MDI-Produktion am Standort Geismar/Louisiana. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit den MDI-Kunden in Nordamerika und weltweit zu wachsen – sei es im Baugewerbe, in der Automobilindustrie oder in der Schuh- und Möbelherstellung. Die Gesamtinvestition beträgt rund eine Milliarde US-Dollar und ist die bislang größte eigenständige BASF-Investition in Nordamerika.

Weiter ausgebaut haben wir im Jahr 2022 zudem unser globales Geschäft mit Batteriematerialien. Dies umfasst Investitionen zur Erhöhung unserer Produktionskapazitäten für Kathodenmaterialien sowie zum Aufbau innovativer Recyclingkonzepte in den drei Schlüsselregionen Europa, Nordamerika und Asien.

Unsere Rahmenbedingungen – 2023 bleibt herausfordernd

Auch das Jahr 2023 wird wieder große Herausforderungen mit sich bringen. Die hohen Unsicherheiten werden fortbestehen. Es wird keinen Schub mehr aus den Nachhol­effekten aus der Corona-Pandemie geben wie zu Beginn des Jahres 2022. Die schwierige Weltwirtschaftslage wird die weltweite Nachfrage dämpfen.

Auch 2023 wird wieder große Herausforderungen mit sich bringen.

Wir sind vorbereitet, auf das was vor uns liegt und haben frühzeitig wichtige Weichen gestellt. Wir werden unsere Abhängigkeit vom Erdgas weiter reduzieren. Das ist vor allem in Europa dringend geboten, denn wir erwarten, dass die Preise dort langfristig deutlich über dem Vorkrisenniveau bleiben werden. Wir machen unsere Standorte führend in klimaneutraler Produktion. Und wir stärken unsere Wettbewerbsfähigkeit. Dazu wird auch ein Kosteneinsparprogramm mit Fokus auf Europa und insbesondere Deutschland beitragen.

Wir wollen die Transformation gestalten. Doch nur eine Industrie, die wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen vorfindet, kann ein stabiles Fundament für Wohlstand sein. Nicht zuletzt der Krieg in der Ukraine hat deutlich gemacht, dass viele dringend nötige Modernisierungsanstrengungen in Deutschland und Europa zu lange hinausgezögert wurden – von der Digitalisierung über den schleppenden Ausbau der erneuerbaren Energien bis hin zu den notwendigen Investitionen in die Infrastruktur. Wir können es uns nicht mehr leisten, dass Genehmigungs­prozesse eine Dekade dauern oder Projekte zerredet werden. Vor allem in Deutschland stehen wir weiterhin zu sehr auf der Bremse. Dabei ist jetzt Vollgas gefragt.

Eine wettbewerbsfähige Industrie ist ein stabiles Fundament für Wohlstand.

Mit dem Green Deal der EU-Kommission kommt zudem eine Flut an Regulierungen auf die chemische Industrie zu, die uns zusätzlich belasten wird. Die Priori­täten müssen daher dringend neu gesetzt werden. Was es dazu braucht, ist ein Schulterschluss von Politik, Gesellschaft und Industrie und das gemeinsame Ziel: eine wettbewerbsfähige Industrie, die stark genug ist, um Motor des Wandels zu sein.

Wir setzen auch weiterhin auf die Unterstützung unserer vielen Anteilseigner. Ich schätze Ihr Vertrauen und freue mich, dass Sie diesen Weg gemeinsam mit uns gehen. Vielen Dank.

Ihr

Martin Brudermüller

Steamcracker
Steamcracker sind Anlagen, in denen unter Zuhilfenahme von Dampf (englisch: steam) Naphtha (Rohbenzin) oder Erdgas auf­gespaltet (englisch: to crack) wird. Die entstehenden Petrochemi­kalien sind Ausgangsprodukte für die Herstellung eines Großteils der Erzeugnisse von BASF.
Wertschöpfungskette
Als Wertschöpfungskette wird die Aufeinanderfolge von Veredlungs­schritten im Produktionsprozess bezeichnet, angefangen bei den Rohstoffen über verschiedene Zwischen­stufen wie Transport und Produktion bis zum fertigen Endprodukt.

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